6.9. 2022: Regen-zu-Baum-Konferenz: Wie retten wir unsere Stadtbäume?
Austausch zwischen Bürgerinnen und Bürgern sowie Politikern und Verwaltungsfachleuten bringt erste Erkenntnisse und Anregungen
„Die Veranstaltung des Berliner Wasserrats hat bewiesen, dass der direkte, persönliche Austausch zwischen Bürgerinnen und Bürgern sowie Politikern und Verwaltungsfachleuten wertvolle Erkenntnisse und Anregungen für alle Beteiligten erbringen kann. Der Berliner Wasserrat muss allerdings, um seine Potentiale dauerhaft und in vollem Umfang entfalten zu können, von Seiten der Politik mit bestimmten Rechten ausgestattet werden, insbesondere mit erweiterten Informations- und Antragsrechten."
Karl Goebler, Mitbegründer des Berliner Wasserrates
NACH REKOMMUNALISIERUNG: DEMOKRATISIERUNG
Der Berliner Wasserrat hat es sich zur Aufgabe gemacht, nach der Rekommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe ihre Demokratisierung voranzutreiben und wichtige Impulse zur Wasserbewirtschaftung der Metropole zu geben.
Der Berliner Wasserrat - Das partizipative Forum des Berliner Wassertischs
von Ulrike von Wiesenau
Die Berliner Wasserbetriebe waren im Jahr 1999 über eine Holding AG zu 49,9 Prozent an die Konzerne RWE und Veolia veräußert worden. Es war die größte Teilprivatisierung eines kommunalen Wasserbetriebes innerhalb der Europäischen Union. Die geheimen Verträge dieser »Öffentlich-Privaten Partnerschaft« (ÖPP) enthielten eine Gewinngarantie und wurden erst unter dem Eindruck des vom Berliner Wassertisch erzwungenen Volksentscheides vom Senat veröffentlicht. Im Oktober 2012 kaufte das Land Berlin den Anteil des Konzerns RWE zurück, der Rückkauf des Veolia-Anteils erfolgte im November 2013.
Mit dem überteuerten Rückkauf der privaten Anteile war das Ende des Weges zur Rekommunalisierung noch nicht erreicht. Viele umweltpolitische und soziale Aufgaben waren liegengeblieben. In den 14 Jahren nach dem Privatisierungsbeschluß war die Tätigkeit der Berliner Wasserbetriebe der Gewinnerzielung untergeordnet. Obwohl das Land Mehrheitseigner der Wasserbetriebe blieb, lag die technische und kaufmännische Leitung vollständig in privater Hand. Die Wasserpreise stiegen um mehr als 35 Prozent. Die für Investitionen vorgesehenen Anteile des Wassergelds wurden als Gewinne an die Privaten ausgezahlt. Die Belegschaft der Wasserbetriebe wurde um ein Drittel reduziert.
Der Berliner Wassertisch forderte nun eine Umstrukturierung der nach wie vor als komplexe Holding organisierten Berliner Wasserbetriebe und zog aus den Fehlentwicklungen der Teilprivatisierung den Schluß, daß die Bürgerinnen und Bürger künftig an Entscheidungen der Wasserbetriebe beteiligt sein müssten, um sicherzustellen, daß die rekommunalisierten Betriebe sich an den gebotenen sozialen, ökologischen und demokratischen Kriterien orientieren. Der öffentliche Status eines Betriebes garantiert heutzutage keinesfalls die Orientierung am Gemeinwohl, zu stark ist die Dominanz der Wirtschaft gegenüber der Politik. In Zeiten, da immer mehr privatrechtlich gefaßte Verträge die Demokratie aushöhlen und die Orientierung an einzelwirtschaftlicher Rentabilität das Denken und Handeln der Führungskräfte in Verwaltung und öffentlichem Dienst bestimmt, versagen die Repräsentativorgane zunehmend bei der Aufgabe, die notwendigen demokratischen Kontrollen auszuüben. Die bestehenden Gremien der repräsentativen Demokratie allein sind nicht mehr imstande, die Probleme eines von der entfesselten Ökonomie unterminierten Gemeinwesens und der immer massiveren Einflußnahme von Lobbyisten zu lösen.
Ende November 2913 gründen Vertreterinnen und Vertreter zahlreicher gesellschaftlicher Initiativen und Organisationen den Berliner Wasserrat
Vor diesem Hintergrund gründeten Ende November 2013 Vertreterinnen und Vertreter zahlreicher gesellschaftlicher Initiativen und Organisationen den Berliner Wasserrat. Erste Stellungnahmen wurden bereits in der Gründungsversammlung eingebracht, weitere Initiativen, Verbände und Experten haben seitdem in den öffentlichen Sitzungen zentrale Themenfelder zu einer demokratisierten Wasserwirtschaft und zur Bürgerbeteiligung an den Berliner Wasserbetrieben erschlossen.
Künftig sollten nicht nur alle relevanten Unterlagen für die Bevölkerung zugänglich sein, wichtig ist, daß die Berlinerinnen und Berliner auch in die unternehmerischen Entscheidungen eingebunden werden. Der Berliner Wasserrat muss auf Dauer neben Informations-, auch Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte über die grundlegenden Unternehmensziele und die Grundsätze der Unternehmensführung der Berliner Wasserbetriebe erhalten. Die Zusammensetzung des Wasserrates und wer in welchem Verfahren seine Mitglieder wählt, wird bis zu seiner Implementierung eine entscheidende Frage des gesellschaftlichen Diskurses sein. Doch auch als frei zugängliches, direktdemokratisches Forum entfaltet er seit Jahren politische Gestaltungskraft, inspiriert national und international mit seinen Veranstaltungen und Initiativen.
Eine »Berliner Wassercharta« als Leitlinie für eine demokratisierte Wasserwirtschaft
Der Berliner Wassertisch hatte zur inhaltlichen Verständigung der Akteure und zur modellhaften Orientierung im September 2013 den Entwurf einer »Berliner Wassercharta« vorgestellt, deren Leitlinie eine transparente, soziale, ökologisch nachhaltige und direktdemokratische Wasserwirtschaft ist. Eine erneute Privatisierung soll durch sie ausgeschlossen werden.
Eine Zukunftsinspiration für Berlin eröffnet das Pariser Modell. Im Jahr 2010 brachte die französische Hauptstadt nach 25 Jahren privater Wasserwirtschaft die Wasserversorgung in städtischen Besitz zurück. Mit »Eau de Paris« wurde ein Unternehmen in öffentlicher Hand gegründet. Neben dem Verwaltungsrat des Unternehmens, dem »Conseil d'Administration«, besteht ein partizipatives Kontrollgremium mit beratender Funktion, der »Observatoire parisien de l'eau«, in dem Vertreter des Verbraucher-, Mieter-, und Umweltschutzes wie auch unabhängige Wissenschaftler und Experten versammelt sind. Das Beteiligungsmodell für die deutsche Hauptstadt würde idealerweise eine Weiterentwicklung des Pariser Modells darstellen, insofern es nicht nur beratende, sondern eine direkt mitbestimmende und kontrollierende Funktion übernehmen soll.
Berliner Wasserbetriebe - Nach Rekommunalisierung Demokratisierung
Auf Rekommunalisierung muß Demokratisierung folgen. Für die Berliner Wasserbetriebe besteht die einzigartige Chance, mit der Bevölkerung ein Modell der direkten Beteiligung an einem öffentlichen Unternehmen zu entwerfen, das ein wichtiger Markstein auf dem Weg zur Wiederherstellung des Primats der Politik und Leitbild für Rekommunalisierungen im Bereich der Daseinsvorsorge sein kann.
"Experiment Bürgerbeteiligung - Der Berliner Wasserrat" von Ulrike von Wiesenau Erschienen in Ossietzky-Zweiwochenschrift für Politik/Kultur/Wirtschaft https://www.sopos.org/aufsaetze/532ad36898b92/1.phtml.html