NACH REKOMMUNALISIERUNG: DEMOKRATISIERUNG !

Der Berliner Wasserrat - Das partizipative Forum des Berliner Wassertischs

Der Berliner Wasserrat hat es sich zur Aufgabe gemacht, nach der Rekommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe deren demokratische, soziale und ökologische Ausrichtung voranzubringen und wichtige Impulse zur Wasserbewirtschaftung der Metropole zu geben.

          von Ulrike von Wiesenau

 

Die Vorgeschichte

Zur Erinnerung: Die Berliner Wasserbetriebe waren im Jahr 1999 über eine Holding AG zu 49,9 Prozent an die Konzerne RWE und Veolia veräußert worden. Es war die größte Teilprivatisierung eines kommunalen Wasserbetriebes innerhalb der Europäischen Union. Die geheim gehaltenen Verträge dieser »Öffentlich-Privaten Partnerschaft« (ÖPP) enthielten eine Gewinngarantie für die Privatunternehmen und wurden erst unter dem Eindruck des vom Berliner Wassertisch erzwungenen Volksentscheides vom Senat veröffentlicht. Im Oktober 2012 kaufte das Land Berlin den Anteil des Konzerns RWE zurück, der Rückkauf des Veolia-Anteils erfolgte im November 2013.

Mit dem Rückkauf der privaten Anteile war das Ende des Weges zur Rekommunalisierung noch nicht erreicht. Viele umweltpolitische und soziale Aufgaben waren liegengeblieben. In den 14 Jahren der Teilprivatisierung war die Tätigkeit der Berliner Wasserbetriebe der Gewinnerzielung untergeordnet. Obwohl das Land Mehrheitseigner der Wasserbetriebe geblieben war, lag die technische und kaufmännische Leitung vollständig in der Hand der privaten Anteilseigner. Die Wasserpreise stiegen um mehr als 35 Prozent, und die für Investitionen vorgesehenen Anteile des Wassergelds wurden als Gewinne an die Privaten ausgezahlt. Die Belegschaft der Wasserbetriebe wurde um ein Drittel reduziert.

Der Berliner Wassertisch forderte eine Umstrukturierung der nach wie vor als komplexe Holding organisierten Berliner Wasserbetriebe und zog aus den Fehlentwicklungen der Teilprivatisierung den Schluß, daß die Bürgerinnen und Bürger künftig an Entscheidungen der Wasserbetriebe beteiligt sein müssten, um sicherzustellen, daß die rekommunalisierten Betriebe sich an den gebotenen sozialen, ökologischen und demokratischen Kriterien orientieren und eine erneute Privatisierung ausgeschlossen wird. Denn der öffentliche Status eines Betriebes allein, so die Auffassung des Berliner Wassertischs, garantiert nicht zwangsläufig die Orientierung am Gemeinwohl, zu stark ist die Dominanz der Wirtschaft gegenüber der Politik. In der Ausgestaltung der Verträge zwischen privaten und öffentlichen ‚Partnern‘ im Kernbereich der Daseinsvorsorge dominiert immer mehr das Privatrecht gegenüber dem öffentlichen Recht und die Orientierung an wirtschaftlicher Rentabilität statt am Gemeinwohl bestimmt das Denken und Handeln der Führungskräfte auch in der öffentlichen Verwaltung. Resultat: Die Repräsentativorgane versagen immer öfter bei der Aufgabe, die notwendigen demokratischen Kontrollen auszuüben.

November 2013: Vertreterinnen und Vertreter zahlreicher gesellschaftlicher Initiativen und Organisationen gründen den Berliner Wasserrat

Vor dem beschriebenen Hintergrund gründeten Ende November 2013 Vertreterinnen und Vertreter zahlreicher gesellschaftlicher Initiativen und Organisationen den Berliner Wasserrat, ein Gremium der Bürgerbeteiligung, das sich als ergänzendes direktdemokratisches Kontrollorgan und Impulsgeber versteht.

Seit der Gründung haben zahlreiche Initiativen, Verbände und Experten zentrale Themenfelder zur gemeinwohlorientierten Wasserwirtschaft und zur Bürgerbeteiligung an den Berliner Wasserbetrieben im Wasserrat diskutiert und entsprechende Vorschläge und Konzepte dazu entwickelt. Über den Wasserrat sollten künftig nicht nur alle relevanten Dokumente allgemein zugänglich sein, sondern die Berlinerinnen und Berliner auch in grundlegende Entscheidungen ‚ihrer‘ Wasserbetriebe eingebunden werden.

Zu diesem Zweck ist der Berliner Wasserrat von Seiten der Politik auf Dauer mit bestimmten Rechten auszustatten, insbesondere mit erweiterten Informations-, Antrags- und Mitentscheidungsrechten. Voraussetzung für die Wahrnehmung dieser Rechte ist wiederum, dass seine Mitglieder umfassende Informationen über die grundlegenden Unternehmensziele und die Grundsätze der Unternehmensführung der Berliner Wasserbetriebe erhalten. Inwieweit der Wasserrat eine institutionelle Verankerung benötigt, welche Rechtsform für ihn angemessen ist und wie seine Mitglieder zu bestimmen sind, muss im öffentlichen Diskurs noch näher bestimmt werden. Doch bereits in seiner jetzigen Form, als frei zugängliches, direktdemokratisches Forum entfaltet er seit Jahren politische Gestaltungskraft und inspiriert Politik und Zivilgesellschaft national wie international mit seinen Veranstaltungen und Initiativen.

Die »Berliner Wassercharta« als Leitlinie für eine demokratisierte Wasserwirtschaft

Der Berliner Wassertisch hatte zur inhaltlichen Verständigung der Akteure und zur modellhaften Orientierung im September 2013 den Entwurf einer »Berliner Wassercharta« vorgestellt, deren Leitlinie eine transparente, soziale, ökologisch nachhaltige und demokratische Wasserwirtschaft in öffentlicher Hand ist.

Eine dem Geist der Wassercharta entsprechende Zukunftsvision für Berlin eröffnete nicht zuletzt das Pariser Modell. Im Jahr 2010 brachte die französische Hauptstadt nach 25 Jahren privater Wasserwirtschaft die Wasserversorgung in städtischen Besitz zurück. Mit »Eau de Paris« wurde ein Unternehmen in öffentlicher Hand gegründet. Neben dem Verwaltungsrat des Unternehmens, dem »Conseil d'Administration«, besteht ein partizipatives Kontrollgremium mit beratender Funktion, der »Observatoire parisien de l'eau«, in dem Vertreter des Verbraucher-, Mieter-, und Umweltschutzes wie auch unabhängige Wissenschaftler und Experten versammelt sind.

Der Berliner Wasserrat setzt wesentliche Aspekte der Wassercharta um und greift einige Elemente des Pariser Modells auf. In seinem Selbstverständnis und den Vorstellungen zu seiner adäquaten Weiterentwicklung unterscheidet er sich jedoch zum Teil deutlich vom Pariser Modell und anderen - wie etwa dem Zukunftsrats-Modell von Patricia Nanz – vor allem insofern, als es nicht nur beratende, sondern auch direkt mitbestimmende Funktionen anstrebt. Der im Oktober 2014 von den Berliner Wasserbetrieben lancierte Kundenbeirat mit rein beratender Funktion scheint vor dem Hintergrund der Erfahrungen der Berliner Teilprivatisierung unzureichend.

 

Berliner Wasserbetriebe - nach Rekommunalisierung Demokratisierung!

Auf Rekommunalisierung muss Demokratisierung folgen – dieses Credo der Bürgerinitiative Berliner Wassertisch versucht der Berliner Wasserrat nach wie vor konsequent zu realisieren. Durch seine konstruktiv-kritische Arbeit gewinnt er zunehmende Bedeutung als ergänzendes demokratisches Gremium im Bereich der Berliner Wasserwirtschaft. Damit bietet er den Berliner Wasserbetrieben wie auch der Berliner Politik und Verwaltung die Möglichkeit, gemeinsam mit der Bevölkerung eine tragfähige und produktive Form der direkten Beteiligung an einem öffentlichen Unternehmen zu entwickeln und zu erproben, die die besonderen Potentiale der Bürgerinnen und Bürger als Ideen- und Impulsgeber nutzt und Leitbild für Rekommunalisierungen im Bereich der Daseinsvorsorge sein kann.

 

 

6.9. 2022:  Regen-zu-Baum-Konferenz: Wie retten wir unsere Stadtbäume?

 Austausch zwischen Bürgerinnen und Bürgern sowie Politikern und Verwaltungsfachleuten bringt erste Erkenntnisse und Anregungen

 

 

 

„Die Veranstaltung des Berliner Wasserrats hat bewiesen, dass der direkte, persönliche Austausch zwischen Bürgerinnen und Bürgern sowie Politikern und Verwaltungsfachleuten wertvolle Erkenntnisse und Anregungen für alle Beteiligten erbringen kann. Der Berliner Wasserrat muss allerdings, um seine Potentiale dauerhaft und in vollem Umfang entfalten zu können, von Seiten der Politik mit bestimmten Rechten ausgestattet werden, insbesondere mit erweiterten Informations- und Antragsrechten."

Karl Goebler, Mitbegründer des Berliner Wasserrates

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